Mittwoch, 24. September 2008

Review: Oddworld - Strangers Vergeltung

Wenn ein Fremder in die Stadt kommt, von dem niemand zuvor gehört hat, wenn unschuldige Hennen von schlimmen Jungs terrorisiert werden und wenn nach getaner Arbeit viele Moolah den Besitzer wechseln, dann liegt der Fall auf der Hand: Entweder sucht John Wayne sein Heil in den Drogen oder Lorne Lanning hat wieder zugeschlagen...

Oddworld - Strangers Vergeltung ist das vierte und nach aktuellem Stand wohl auch letzte Spiel der Oddworld Inhabatants, das Studio hat leider mittlerweile seine Pforten geschlossen. Was aus den Plänen, die letzten beiden Teile der Oddworld-Quintologie ins Kino zu bringen geworden ist, weiss leider niemand. Abes und Munchs Oddysee sowie Stangers Vergeltung waren die ersten drei Teile, Abes Exodus hingegen nur eine Sidestory.

Die Story ist anfangs ähnlich einfach gestrickt wie die eines Italo-Westerns: Ihr seid der Stranger, niemand kennt eure Vergangenheit, teilweise nichtmal ihr selbst. Ihr streift von Stadt zu Stadt, sackt Ganoven ein und verdient euch auf diese Art und Weise eure Moolahs. Die habt ihr auch bitter nötig, denn ihr braucht sie für eine mysteriöse Operation. Im Laufe der Geschichte wartet dann eine Story-Wendung auf euch, mit der ihr in dieser Form sicher nicht rechnet und die auch ein wenig das Gameplay beeinflusst. Wer allerdings auf ein Wiedersehen mit Abe und Munch hofft, sollte sich auf eine Enttäuschung einstellen, bis auf ganz ganz kleine Parallelen hat die Geschichte um Stranger nämlich nichts mit vorherigen Teilen zu tun.

Euch erwarten die Gameplay-Facetten von gleich zwei Genres, verwoben zu einem Spiel, das euch jederzeit die Wahl lässt. Zum einen habt ihr eine Third-Person-Ansicht, die euch Nahkampf-Attacken spendiert und sich generell wie ein Action-Adventure anfühlt. Die Schultertasten entlocken eurem Helden einen Kopfstoss oder eine Wirbelattacke (ein wenig Link, anyone?). Drückt ihr den rechten Analogstick nach unten (ins Pad), schaltet ihr nahtlos in die Ego-Perspektive, wo ihr ballern dürft, soviel euch die Munition lässt, wörtlich gesprochen. Denn ihr habt nur eine Waffe, die es allerdings in sich hat, eine doppelläufige Armbrust! Und an diesem Punkt kommen die eigentlichen Stars des Games zur Geltung: die lebendige Munition! Ja, richtig gelesen, die Munition in Strangers Vergeltung lebt, und zwar mit allen Konsequenzen! So kann sie beispielsweise nicht nur in Läden gekauft, sondern auch in freier Wildbahn gefangen werden. Je nach geladenen Tierchen variiert dann auch die Funktion eurer Armbrust, Wespen beispielsweise verwandeln sie in eine MG, Hornissen in ein Scharfschützengewehr und so weiter.

Der absolute Höhepunkt jedoch sind die kleinen Viecher, die keine klassischen Waffen imitieren, vor allem das Arschbackenhörnchen (welch ein Name...). Es ist das einzige Armbrustfutter, das spricht, und zwar schon vor dem eigentlichen Einsatz ("Mich bedrückt was!" *Furz* "Schon passiert...", oder "Ah, geht doch nichts über'n Sit-In auf der Armbrust..."). Genau das ist auch seine Funktion: Schiesst die kleinen Fieslinge auf den Boden und seht zu, wie sie Gegner anlocken ("Ey du, Fettsack! Komm hierher!"). Bolamiten sind Spinnen, die eure Widersacher für gewisse Zeit einhüllen, Stinktiere hingegen machen ihrem Namen alle Ehre und lassen Fieslinge in ihrer Umgeben ihr letztes Mittagessen ans Tageslicht bringen. Allgemein wird euch immer die Wahl gelassen, mit wehenden Fahnen einzumarschieren oder den Sam Fisher raushängen zu lassen, obwohl gerade später eine bedächtigere Vorgehensweise vorteilhaft ist.

Das sind die tiefergehenden Zutaten für den Spielablauf, der dann wie folgt aussieht: Ihr kommt in eine Stadt, holt euch in einer Kopfgeldstube den Auftrag ab, einen bestimmten Ganoven einzusacken, und macht euch dann auf den Weg zu eben jenen. Nach getaner Arbeit kehrt ihr mit Erfolgsmeldung zurück und streicht eure Belohnung ein. Das ist allerdings leichter gesagt als getan, denn einerseits müsst ihr euch in den allermeisten Fällen erst an einigen Untergebenen vorbeiarbeiten, und andererseits stellen die Bosse in Strangers Vergeltung nicht nur für den Zeigefinger eine Herausforderung dar, sondern auch für die kleinen grauen Zellen. Jeder der Bösewichte stellt euch vor besondere Herausforderungen, mal ganz abgesehen davon, dass auch in Oddworld gilt: Tot oder lebendig, wobei letzteres wesentlich mehr Moolah einbringt. Nicht nur die grossen Fieslinge, auch die kleinsten Untergebenen können betäubt und mithilfe einer "Einsaug"-Funktion in Strangers (trotz seiner geringen Grösse erstaunlich geräumigen) Beutel untergebracht werden, wodurch die nicht direkt offensiv ausgerichtete Munition seine Daseinsberechtigung erhält.

Was die Präsentation angeht, lässt einen Oddworld - Strangers Vergeltung gerne mal mit runtegeklapptem Kiefer zurück. Hübsche Texturen, tolle Animationen und eindrucksvolle Szenerien hieven Strangers Rachefeldzug ganz weit nach oben aufs Grafiktreppchen, wobei die Framerate sich weigert, in die Knie zu gehen. Die gerenderten Zwischensequenzen könnten direkt aus einem Pixar sein, nicht nur von der Technik, sondern vor allem auch von den verspielten Bewegungen her. Der Sound geht in Ordnung, ohne gleich die ganze Aufmerksamkeit auf dem roten Teppich einzuheimsen. Die Effekte für die Munition passen sehr gut, die Musik besteht im wesentlichen aus an Schlüsselstellen eingeworfenen Technostücken, die allerdings nicht ganz so deplaziert wirken, wie ihr anhand dieser Beschreibung vielleicht denkt, das Highlight beim Sound ist allerdings die beste Synchronisation, die man seit langem gehört hat. Überhaupt ist die Lokalisation das Sahnestück der Präsentation, selbst die Schilder in dem Städten oder die Inschrift auf dem Grabstein im Intro sind sehr gut übersetzt.

Oddworld - Strangers Vergeltung kann eigentlich jedem ans Herz gelegt werden. Die erstklassige Präsentation und das durchdachte Gameplay schreien geradezu die Frage heraus: "Warum hat mich damals keiner gekauft?" Eigentlich unerklärlich, denn es gibt eigentlich nur einen Punkt wirklich zu bemängeln, den nicht vorhandenen Wiederspielwert. Keine weiteren Schwierigkeitsgrade, keine Secrets, wenn man einmal den Abspann gesehen hat, hat man alles gesehen. Schade eigentlich, und der einzige Grund, warum nur eine 9 und keine 10 am Ende steht. Trotzdem ein Muss, für jeden, der es finden kann. Dieses Spiel wird irgendwann mal das neue Psychonauts sein!

Grafik: 10
Sound: 8
Gameplay: 9
Gesamt: 9

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