Dienstag, 14. Oktober 2008

Retro-Review: Discworld 2 - Vermutlich vermisst

Der Weltraum, unendliche Weiten... Oh Fuck! Copyright-Leute von Paramount! Ey! AUA! Nicht die Brieftasche! AU! ....

Okay, sie sind weg, also nochmal von vorne: Irgendwo, verflucht weit weg im Multiversum (Ha, so kriegen mich wenigstens nicht die Jungs von Lucasfilms!) zieht die Weltraumschildkröte Groß A'tuin ihre Bahnen. Auf ihrem Rücken thronen vier gewaltige Elefanten, auf deren Rücken wiederum eine Scheibe ruht. In einer spektakulären Panorama-Aufnahme sehen wir Meere, die sich ins Meer ergiessen, Kontinente und Gebirge, allen voran Cora Celesti in der Mitte, wo die Götter wohnen. Davon einmal ganz abgesehen ist hier wohl der einzige Ort, an dem sich die Sonne eben doch um die Erde dreht. Willkommen auf der Scheibenwelt!

Terry Pratchett's Bücher über diese merkwürdige Welt, in der die Gesetze der Physik nicht gelten, sondern von Magie und und dem Lauf der Geschichten gewaltig in den Hintern getreten werden, haben weltweit eine treue Fangemeinde. Genau das dachte sich anno 1995 auch Perfect Entertainment, zur damaligen Zeit auch bekannt durch Wipeout, und brachte ein Point&Klick-Adventure auf den Markt. Zwei Jahre später folgte dann Discworld 2 - Vermutlich vermisst.

Die Geschichte klaut sich Elemente von vielen Scheibenwelt-Romanen zusammen, allen voran besinnt man sich auf "Alles Sense", wenn auch stark verändert: Es ist Silvester, aber die Zauberer der unsichtbarn Universität feiern ganz nebenbei auch noch den bevorstehenden Tod von Windle Poons. Nach einem feierlichen Countdown hört dessen Herz auch brav auf zu schlagen, dummerweise bleiben Windles Augen danach allerdings nur wenige Sekunden geschlossen. Angesichts der Tatsache, dass auch Tod (kleine Info für Scheibenwelt-Noobs: Ja, Tod ist hier eine Person!) nicht auftaucht, wie er es bei Zauberern eigentlich persönlich zu tun gedenkt, ist schnell klar: Irgendetwas stimmt nicht! Eine kurze Diskussion und die Erkenntnis, dass das Ritual von Ashk-Ente durchgeführt werden muss später ist dann auch klar, wer zunächst die erforderlichen Ingridenzien besorgen muss: der wohl talentloseste Zauberer, den die unsichtbare Universität je gesehen hat, Rincewind. Ich spare mir an dieser Stelle jetzt einfach mal die Information, wessen Rolle der Spieler übernimmt, nur ein Hinweis: Sein Name fängt mit R an und hört mit incewind auf...

So macht ihr euch dann auf den Weg, um als erstes die notwendigen Zutaten für den Ritus zu beschaffen: drei gleich lange Stöcke, 4 Kubikzentimeter Mäuseblut, hübsch tropfende Kerzen, Glitzerzeug und üblen Geruch. Klingt bizarr? Ist es auch, und obendrein nur die Spitze des Eisbergs! Das ganze findet als klassisches Point&Klick-Adventure statt. Ihr redet mit NPCs, sammelt, kombiniert und benutzt viele, viele Gegenstände und zermatert euch eure kleinen grauen Zellen im Allgemeinen. Gefundene Items werden dabei nicht in einem unsichtbaren Inventar aufbewahrt, sondern vertrauensvoll Truhe gegeben, die auf tausenden kleinen Beinen brav hinter euch her trippelt und deren Inneres ausserhalb des Raum-Zeit-Kontinuums bildet und deshalb mehr als genug Platz bietet. Erfahrungen in anderen Adventures sind zwar von Vorteil, allerdings nicht die einzige Vorraussetzung, denn hier müsst ihr nicht nur um eine, sondern gleich um eine ganze Reihe an Ecken denken. Normalerweise wäre der komplett widersinnige Einsatz von Gegenständen Anlass zu herber Kritik, aber hier macht es letztenendes immer Sinn, wenn auch nicht wirklich nach logischen Maßstäben.

Wenn ihr euch auf die Scheibenwelt und ihr Bewohner einlassen wollt, könnt ihr euch allgemein schon mal auf einige Überraschungen gefasst machen. Ank-Morpork und die anderen Locations sind vollgestopft von Anspielungen auf Filme oder Klischees, und sowieso allgemein beseelt von Allgegenwärtigen Wahnsinn! So bleiben die Untoten nicht in ihren Gräbern, sondern gründen plötzlich Clubs, kämpfen für Gleichberechtigung und beschweren sich lauthals darüber, schlecht behandelt zu werden. Um beispielweise in den Club der toten.... äh, einfach nur in den Club der Toten zu kommen, muss man erst für tot erklärt werden, vorher gibts keinen Einlass ("Wenn du nicht tot bist, bist du für uns gestorben..."). Ein weiteres Beispiel für den göttlichen Humor wäre Ricenwinds Kommentar auf die Explosion am Anfang:

Rincewind: "Sieh dir das an: Sie haben das Animationsbudget erhöht!"
Bibliothekar: "Ugh?"
Rincewind: "Natürlich ist das was gutes! Es heisst, dass sie weniger Geld für die Rätsel hatten..."

An dieser Stelle sei auch lobend der tolle Sprecher für Rincewind erwähnt: der deutsche Synchronsprecher von Tom Hanks. Und er macht seinen Job echt gut, was wichtig ist, da man seine Stimme oft hört, er bricht beispielsweise bei dummen Kombinationsversuchen gerne die vierte Wand ("Weisst du was? Ich hab einen Vorschlag: Wie wäre es, wenn Du das hier alles machst und ich mich bei dir auf die Couch setze?").

Überhaupt sind die Sprecher grösstenteils erste Sahne. Der Zwerg mit seinem Ratten-Imbiss hat einen spitzenmässigen Dialekt, die Sprecher der Zauberer klingen richtig schön verschroben und der Vampir, der mit seiner Bestimmung hadert, tut einem geradezu leid... Von den tollen Sprechern einmal abgesehen transportiert vor allem die Musik die Stimmung relativ gekonnt, ohne allerdings wahre Ohrwürmer hervorzubringen. Der Soundeffekte hingegen sind weder gut noch schlecht, auch wenn die Comic-Sounds ganz gut passen.
Daneben kann man noch die Grafik lobend erwähnen, die für 2D-Playstation 1-Verhältnisse durchaus sehenswert ist. Grosse Sprites und relativ flüssige Animationen, die stellenweise extrem Slapstick-mässig rüberkommen, machen schon einiges her. Wenn jedoch die Hintergründe gescrollt werden, merkt man doch ziemlich deutlich, wie die Hardware an ihre Grenzen stösst, denn dann ruckelt es ganz gewaltig.

Wenn ihr die Scheibenwelt-Romane schon kennt und Adventures nicht abgeneigt seid, dann ist Discworld 2 - Vermutlich vermisst uneingeschränkt empfehlenswert. Für sich alleine genommen, bleibt ein leicht überdurchschnittliches Stück Point&Klick mit einem einzigartigem Humor, dem man durchaus mal eine Chance geben kann. Es sei denn, man braucht unbedingt einen roten Faden und genaue Logik in den Rätseln, denn das wird man hier nicht finden.

Retro-Wertung: 8 Punkte

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